Ergebnisse der Dialoge in Ostafrika
Projektupdate
Veröffentlichungsdatum: 2. Juli 2024
Teil des Projekts
Wyss Academy Dialogue on the True Value of Forests
Wyss Academy Dialogue on the True Value of ForestsErgebnisse der Dialoge in Ostafrika
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Wyss Academy Dialogue on the True Value of Forests
Wyss Academy Dialogue on the True Value of ForestsVeröffentlichungsdatum: 2. Juli 2024
Den wahren Wert der Wälder in Ostafrika erforschen: Maroantsetra, Madagaskar
„Hazo tokana tsy mba ala“ – dieser Satz steht in Madagaskar für „Ein Baum macht noch keinen Wald“ und bringt den wahren Wert der Wälder auf den Punkt: Ihre Stärke liegt in der Zahl. Mehr Bäume bedeuten reichere Ökosysteme, Lebensräume und mehr ökologische und gesellschaftliche Leistungenn. Wenn mehr Menschen diese Wälder verstehen und wertschätzen, werden sie bewusster handeln, um sie zu schützen oder nachhaltig zu nutzen. Dies waren die zentralen Erkenntnisse der Ostafrika-Ausgabe der Wyss-Academy-Dialoge zum wahren Wert der Wälder, die am 13. und 14. Juni 2024 in Maroantsetra, Madagaskar, stattfanden. 26 Teilnehmende aus Regierung und Zivilgesellschaft entwickelten dabei konkrete Schritte in Richtung einer Wiederaufforstung, diversifizierte Lebensgrundlagen und stärkeres Bewusstsein für die Bedeutung der Wälder.
Tatjana Von Steiger, Head of Global Policy Outreach an der Wyss Academy, erklärte: „Wir wollen die Debatte verankern, indem wir sie in den lokalen Kontext einbetten. So ermöglichen wir es verschiedenen Akteur*innen, ihre Perspektiven einzubringen – das ist entscheidend, um eine gemeinsame Vision zu entwickeln und neue Ideen auszuloten.“
Verbindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Es heisst oft, dass erst das Lernen aus der Vergangenheit Fortschritt erlaubt – und das gilt besonders für wirksame Strategien zur Interessenvertretung und Verhaltensänderung. Fest verankerte kulturelle und spirituelle Überzeugungen beeinflussen direkt, wie wissenschaftliche oder andere Informationen über den Wert der Wälder verstanden und aufgenommen werden. Das bedeutet nicht, dass frühere Generationen die Wälder weniger schätzten. Im Gegenteil: Bäume und Wälder wurden meist verehrt und selten gefällt, ohne spezielle Rituale durchzuführen. So wurden in Maroantsetra Opfergaben aus Honig und Alkohol für Zanahary (Malagasssi für Gott) vorbereitet, wenn um Erlaubnis gebeten wurde, einen Baum zu fällen. Die Zustimmung erfolgte in einem Traum. Das Ritual gibt es noch heute, mit der modernen Bedingung, dass der Baum mit einer Axt und nicht mit einer Motorsäge gefällt wird. In anderen Teilen Madagaskars herrschte der Glaube, dass die Geister der Verstorbenen in den Bäumen wohnten und wer sie fällte, riskierte, von ihnen besessen zu werden.
Mit der Zeit und dem Einfluss des Christentums verloren diese Traditionen an Bedeutung, und der Wert der Wälder wurde weniger geschützt. Bäume wurden nun für Brennholz, Bauholz, Nahrung und Medizin gefällt, oft ohne auf die Regeneration zu achten. Heute dienen Wälder in erster Linie der Grundversorgung der Menschen – was eigene Herausforderungen mit sich bringt. Bodenerosion, sinkende landwirtschaftliche Produktivität, Verschmutzung und der Verlust kultureller Praktiken sind einige der spürbaren Folgen dieser Entwicklung.
Was bedeutet das für die Zukunft der Wälder in Madagaskar? Es gilt, ein Gleichgewicht zwischen strengem Schutz und Nutzung zu finden. Das ist zwar leichter gesagt als getan, aber durchaus möglich. Zunächst braucht es eine klare und konsequent durchgesetzte Governance-Politik für Umwelt- und Waldschutz. Darauf sollte rasch eine intensive Sensibilisierung der Öffentlichkeit folgen, damit die lokalen Gemeinschaften umfassend über Waldschutz und nachhaltiges Management informiert sind.
Wert als dynamisches Konzept
Der „wahre“ Wert der Wälder ist als eine Sammlung unterschiedlicher Wahrnehmungen und Wissensbestände zu verstehen; all diese sind Produkte von Systemen, die miteinander verknüpft sind. Die Teilnehmenden machten deutlich, dass Interessenvertretung und Kommunikation über den Wert der Wälder die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung widerspiegeln müssen. Sie betonten zudem, dass Wälder eine Quelle des Lebens für alle sind – und wenn alle profitieren, sind auch alle für ihren Schutz verantwortlich.
Sarobidy Rakotonarivo, interdisziplinäre Sozialwissenschaftlerin an der Universität der Hauptstadt von Madagaskar, Antananarivo, positionierte sich klar in Bezug auf Governance-Rahmenwerke, die lokale Gemeinschaften stärken: „Auch wenn wir dringend handeln müssen, um die weltweit wichtige Biodiversität zu schützen, dürfen wir nicht den Fehler machen, Abkürzungen zu nehmen“, sagte sie. „Die Umsetzung eines sozial gerechten, auf Rechten basierenden Ansatzes zum Schutz der Natur ist ein langsamer und schwieriger Prozess. Es sind die Menschen an der Waldgrenze mit der Axt in der Hand, die am meisten beeinflussen, was passiert. Wir können endlos Dialoge wie diesen führen – aber solange diese Menschen, die darüber entscheiden, wie sie ihre Felder bestellen, nicht wirklich befähigt werden und ihre Rechte auf Land sowie angemessene Schutzmassnahmen nicht anerkannt werden, wird der Waldverlust leider anhalten.“
Für die meisten Teilnehmenden liegt der Wert der Wälder in den wirtschaftlichen, ökologischen und soziokulturellen Vorteilen. Dabei herrschte die übergeordnete Meinung, dass Waldschutz den lokalen Gemeinschaften direkt Einkommen verschaffen sollte, zum Beispiel durch Ökotourismus oder Honigproduktion. Neben Einkommensquellen wurden auch Gesundheit und nachhaltige Forschung als ergänzende Werte der Wälder genannt.
Beim Thema Interessenvertretung und Bewusstsein für den Wert der Wälder waren sich die Teilnehmenden einig, dass der Aufbau von Kontakten und Beziehungen zwischen lokalen Gemeinschaften und Geldgebenden Priorität haben sollte. Vertrauen zwischen diesen beiden Gruppen zu schaffen, erleichtert die Entwicklung und Umsetzung von Lösungen und ermöglicht langfristig einen reibungsloseren Übergang, wenn finanzielle Unterstützung ausläuft. Für die öffentliche Sensibilisierung schlugen die Teilnehmenden mehrere Schwerpunktthemen vor, darunter (1) den Schutz und die Werte der Biodiversität, (2) die rasch schrumpfende Waldfläche und (3) Richtlinien für Tourist*innen beim Besuch der Wälder.
Integriertes Waldmanagement und Naturschutz
Neben dem Aufruf zu einer klaren Politik für den Waldschutz diskutierten die Teilnehmenden bestehende nationale und privatwirtschaftliche Initiativen, die die Bedeutung von geeigneten Rahmenbedingungen für ein gutes Waldmanagement betonen. Dazu gehören unter anderem:
SNABE (nationale Strategie für die Versorgung mit Holzenergie): Eine von der madagassischen Regierung vorgeschlagene Strategie. Ziele sind, das Angebot an Holzenergie auszubauen, den Verbrauch von Holzenergie zu senken und essenzielle Rahmenbedingungen zu schaffen wie etwa die Sicherung von Landrechten, Waldgesetze und -kontrollen oder die Unterstützung bei der Einführung von Ersatzenergien.
Alliance Voahary Gasy (AVG): Diese Plattform vereint rund dreissig Mitgliedsorganisationen, um eine bessere Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen zu erreichen. Ihre Forderungen sollen bei der Regierung dahingehend Gehör finden, sodass Regelungen für eine nachhaltigere und umweltfreundlichere Wirtschaft beschlossen werden. Dabei soll auch sichergestellt werden, dass verletzliche lokale Gemeinschaften nicht an vorderster Front die Umweltschäden tragen. AVG bietet Interessenvertretung, Schulungen und eine App, die Umweltgesetze zusammengefasst leicht zugänglich macht.
Fair-Trade-Zertifizierungen: Diese werden in der Regel von privatwirtschaftlichen Akteur*innen koordiniert, die Finanzierungs- und Naturschutzpartnerschaften unterstützen.
Eine gemeinsame Vision entwickeln
Die Veranstaltung endete mit der Ausarbeitung der gemeinsamen Erklärung, die im untenstehenden Bild zu sehen ist:
Die regionalen Dialoge sind nun abgeschlossen. Die Erkenntnisse und Erfahrungen aus allen vier Veranstaltungen bilden die Grundlage für einen virtuellen globalen Dialog am 1. und 2. Oktober. Sie werden zudem an der 16. UN-Biodiversitätskonferenz einfliessen. Wir sind gespannt darauf, wie sich dieses kollektive Wissen in konkrete Massnahmen umsetzen lässt und letztlich Wirkung erzielt wird.
🌱 Mehr Informationen zu den Dialogen finden Sie hier: True Value of Forests – Impact Hub
Team
- Projektkontakt
Projektkontakt
Tatjana von Steiger
Head of Global Policy Outreach